11.03.2025

Ein Platz für die Ewigkeit – Wohin mit unserem Atommüll?

Dagmar Dehmer (links) mit Detlef Härtkorn (rechts)

Der Ortsname Gorleben steht in der deutschen Geschichte auch für den gescheiterten Versuch, gegen Widerstand aus der Bevölkerung ein Endlager für hochradioaktiven Abfall nach überwiegend politischen Kriterien zu errichten. Es musste am Ende wegen der Gefahr von Wassereinbrüchen als Standort wieder verworfen werden.

Diesmal soll es besser laufen. Dafür wurde 2016 die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) gegründet, die in einem mehrstufigen, streng wissenschaftsgestützten Verfahren den geeignetsten Ort in Deutschland finden soll – gesucht wird auch in der Region Ulm. Da sich auch Bürgerimpulse für Bürgerbeteiligung und wissenschaftsgeleitete Politik einsetzt, luden wir Dagmar Dehmer, die Leiterin Unternehmenskommunikation der BGE, am 11.3.25 ins Ulmer ROXY ein, um die geplante Vorgehensweise vorzustellen.

Zunächst muss man sich bewusst machen, dass trotz Atomausstiegs 27.000 Kubikmeter hochradioaktive Abfälle in oberirdischen Zwischenlagern liegen, zum Beispiel im Brennelemente-Zwischenlager Gundremmingen in unserer Region. Ziel ist es, hierfür eine sichere Dauerlösung tief unter der Erde zu finden, die ohne menschliche „Aufpasser“ eine Million Jahre Bestand haben kann.

Infrage kommen u.a. wegen ihrer geringen Durchlässigkeit für Strahlung und Wasser nur bestimmte Gesteine – insbesondere Salz, Granit und Opalinuston. Diese Gesteinsschicht muss sich in passender Tiefe befinden, soll also z.B. nicht durch Eiszeiten freigelegt werden können, aber temperaturbedingt und aus bergwerkstechnischen Gründen auch nicht tiefer als 1000m liegen. Sie soll möglichst rein und mächtig (dick) sein. Erdbebenregionen wie die Zollernalb fallen ebenso heraus wie der Meteoritenkrater im Nördlinger Ries mit seinen durch den Einschlag zerstörten Gesteinsschichten. Bei näherer Betrachtung findet man Bewegung und Brüche im Gestein aber auch an vielen weiteren Orten, die es erst zu erkennen gilt. Insgesamt ist die Liste der wissenschaftlichen Auswahlkriterien zudem noch länger.

Die ungeeigneten Orte anhand geologischer Aufzeichnungen auszusieben ist Inhalt der aktuellen Phase der Untersuchungen der BGE. Dabei ist bereits die Schwäbische Alb nördlich von Ulm als nur wenig geeignet eingestuft worden und der bayerische Teil unserer Region gilt teilweise als ungeeignet. Ulm selbst mit umliegenden Orten ist noch „im Rennen“, aber dieses wird noch Jahrzehnte dauern. Zu den nächsten Schritten gehören oberirdische Messungen, schließlich auch Probebohrungen und am Ende Erkundungsbergwerke. Erst wenn sich mehrere gleich gut geeignete Orte herausstellen oder die gefundene Fläche sehr groß wäre, kämen bei der Endauswahl und zur Festlegung des genauen Einstiegspunktes für das Bergwerk auch nicht-geologische Kriterien ins Spiel.

Die BGE wird bei ihrer Arbeit durch das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) beaufsichtigt, ihre Ergebnisse werden dabei auch fachlich überprüft. Es gibt eine intensive Beteiligung der Regionen, ihrer Bürger, sowie die Möglichkeit einer einmaligen Überprüfung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Zur Transparenz gehört auch ein Online-Kartendienst, der BGE Endlagersuche Navigator, der den aktuellen Stand wiedergibt und in dem die entsprechenden Begründungen für die (Nicht-)Eignung einer Fläche öffentlich nachzulesen sind.

An den Vortrag von Frau Dehmer schloss sich eine lange Fragerunde des interessierten Publikums aus ca. 150 Personen an. Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass die Diskussion trotz des potentiell heiklen Themas sehr sachlich geführt würde, ganz im Sinne der Zielsetzung von Bürgerimpulse.
Das Publikum interessierte sich auch für das nahe an der deutschen Grenze am Hochrhein geplante Endlager für die Schweiz – die Alpen sind geologisch zu sehr in Bewegung, um dafür infrage zu kommen.
Die Kosten des deutschen Vorhabens sind indes kaum abschätzbar, da sie unter anderem von der Anzahl der Kandidaten-Standorte abhängen, die gefunden werden können. Auch die Frage, ob ein Endlager für eine Region und ihre Bürger wirtschaftlich schlecht wäre, lässt sich vorab nicht eindeutig beantworten. In Schweden schuf das dort geplante Endlager viele Arbeitsplätze und belebte die Region, was aber auch neue Herausforderungen an die Infrastruktur stellte. Obwohl das Endlager schließlich verschlossen und „alleine gelassen“ werden soll, wird auch die Einlagerung selbst Jahrzehnte dauern.

Wer wie Gundremmingen bereits ein Zwischenlager vor Ort hat, wird eine bessere Lösung zudem eher befürworten – zeigt sich doch leider u.a. durch den Klimawandel und den Konflikt mit Russland, dass die Sicherheit einer oberirdischen Lagerung schon in recht kurzen Zeiträumen bedroht sein könnte.

Weitere Berichte über die Veranstaltung finden Abonnenten in der Südwest Presse und der Neu-Ulmer Zeitung, sowie alle Interessierten beim SWR.

17.02.2025

Mit Bürgerimpulse informiert wählen gehen

Das Podium zum Wahlforum 2025

Am Montag, den 17. Februar 2025, fand im Kulturzentrum Roxy in Ulm das von den Bürgerimpulsen gemeinsam mit einem breiten Bündnis aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Bildung und Kultur (u.a. VH Ulm, IHK Ulm, Handwerkskammer Ulm, Roxy) organisierte Wahlforum zur bevorstehenden Bundestagswahl statt. Rund 400 interessierte Bürgerinnen und Bürger, darunter viele junge Menschen, nutzten die Gelegenheit, die Direktkandidaten der sechs im Bundestag vertretenen Parteien aus dem Wahlkreis Ulm live zu erleben.

Spannende Debatten und kontroverse Momente
Im Mittelpunkt des Abends standen die Themen Wirtschaft, Migration, Klimaschutz und Kultur. Die Diskussionen waren lebhaft und teilweise kontrovers. Besonders die Debatte um Migration sorgte für hitzige Wortwechsel. Während CDU-Kandidatin Ronja Kemmer für eine stärkere Grenzüberwachung plädierte, betonte Marcel Emmerich (Grüne) die Bedeutung von Menschlichkeit und Empathie. SPD-Kandidat Sebastian Gillmeister hob die Notwendigkeit von Integration und Fachkräftegewinnung hervor, während FDP-Kandidatin Anke Hillmann-Richter ein Orientierungsvisum für ausländische Absolventen vorschlug. AfD-Kandidat Daniel Rottmann hingegen forderte, den Fokus auf den Verbleib deutscher Fachkräfte zu legen, ohne konkrete Vorschläge zu machen.

Störungen und klare Haltung für Demokratie
Die Veranstaltung wurde zu Beginn von Störungen begleitet, als eine Gruppe von Demonstrierenden lautstark gegen den AfD-Kandidaten protestierte. Moderator Christoph Hantel von der Volkshochschule Ulm griff konsequent ein und forderte die Störer auf, den Saal zu verlassen, um den demokratischen Austausch zu gewährleisten. Die Gruppe verließ daraufhin den Veranstaltungsort.

Ergebnisse des Live-Barometers
Ein besonderes Highlight des Abends war das Live-Barometer, bei dem die Zuschauer vor und nach der Diskussion ihre Wahlpräferenzen äußern konnten. Die Grünen mit Marcel Emmerich gingen als klare Gewinner hervor, während die CDU mit Ronja Kemmer im Verlauf des Abends an Zustimmung gewann. Die SPD und Die Linke mussten hingegen Verluste hinnehmen. FDP und AfD blieben auf den hinteren Plätzen, wobei die AfD sogar noch an Zustimmung verlor.

Fazit: Ein gelungener Abend für den demokratischen Dialog
Das Wahlforum bot den Bürgerinnen und Bürgern eine wichtige Plattform, um sich über die Positionen der Kandidierenden zu informieren und sich eine Meinung zu bilden. Die Veranstaltung zeigte, wie wichtig der direkte Austausch zwischen Politik und Gesellschaft ist. Im Anschluss an die Diskussion hatten die Besucher die Möglichkeit, in persönlichen Gesprächen mit den Kandidierenden weiter zu diskutieren.
Bürgerimpulse Ulm bedankt sich bei allen Beteiligten und Besucherinnen und Besuchern für einen spannenden und erkenntnisreichen Abend!

06.06.2024

Herausforderungen und Perspektiven der Verkehrswende

Dr. Thomas Kauffmann (links) mit Christoph Botzenhart (rechts)

Der öffentliche Personenverkehr befindet sich in einer Zeit des Umbruchs. Durch das Deutschland-Ticket sollen Fahrgäste zum Umstieg auf Busse und Bahnen bewegt und somit zum Klimaschutz beigetragen werden, doch zugleich leidet die Branche, wie andere auch, unter Personalmangel und Energiekosten. Sie muss ihre Infrastruktur modernisieren – in letzter Zeit auch verstärkt elektrifizieren – während die Politik über eine nachhaltige Finanzierung noch streitet, denn der öffentliche Personenverkehr bedarf massiver staatlicher Zuschüsse.

Ingo Wortmann, Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), früher bei der SWU Verkehr und nun bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) in leitender Funktion, präsentierte diese Herausforderungen bei seinem Vortrag mit anschließender Diskussion am 6.6.24 im ROXY Ulm anschaulich. Das interessierte Publikum stellte zahlreiche Fragen.

Die fortschreitende Digitalisierung wird für die Fahrgäste natürlich bei Echtzeit-Abfahrtsinformationen, Fahrplan-Apps und elektronischen Tickets am deutlichsten, aber hinter den Kulissen müssen z.B. auch Bahn-Stellwerke modernisiert werden und autonome, also selbstfahrende Busse und Bahnen befinden sich zumindest in Erprobung. Der Weg zu ihrer weiten Verbreitung ist aber noch lang und ein gewisser Pool an Fahrpersonal müsste für den Fall von Störungen dennoch in der Nähe vorgehalten werden.

Das Konzept von Oberleitungsbussen findet Wortmann weiterhin interessant, denn in Kombination mit Batterietechnik werden auch Unterbrechungen der Oberleitung bzw. ein Verlassen der Trasse möglich. Es hat sich im Bereich der Elektrobusse ohnehin herausgestellt, dass es die Haltbarkeit von Fahrzeug-Akkus fördert, wenn diese zwischendrin immer wieder nachgeladen werden, anstatt sie leer zu fahren. Bei allen technischen Möglichkeiten erkannte Wortmann aber auch Nachteile dadurch, dass sich die jeweiligen lokalen Fahrzeug-Plattformen oft stark voneinander unterscheiden.

Kreative Lösungen braucht es nicht nur bei Digitalisierung und Elektrifizierung, sondern auch bei der Personalgewinnung, denn über 20% des Fahrpersonals geht bis 2030 altersbedingt in Ruhestand, weitere gut 20% sieht man als Mehrbedarf durch die „Verkehrswende“ und über 40% der Verkehrsunternehmen mussten ihren Betrieb bereits 2023 aufgrund von Personalknappheit einschränken. Es werden bereits Fahrer im Ausland angeworben, ihnen mitunter auch Wohnungen vermittelt, doch auch um die bisher mit knapp 20% in diesem Beruf stark unterrepräsentierten Frauen wird stärker geworben.

Weitere Innovationen beinhalten zum Erreichen weniger nachgefragter Orte „on demand“-Verkehre, also Busse und Taxen auf Anforderung, teilweise auch selbstfahrend. Wichtig für die Akzeptanz ist der zeitlich und von der Infrastruktur her abgestimmte Umstieg der Fahrgäste von Bahnen auf Busse, sowie auch auf Fahrräder und Elektroroller. Der Blick ins In- und Ausland zeigt aber auch, dass der öffentliche Personenverkehr ins Stadtbild passen sollte und so rücken auch Design- und Gestaltungsfragen bei Fahrzeugen und Trassen immer stärker ins Blickfeld der Planer.

11.04.2024

Von der Friedensdividende zur Abschreckung

Dr. Thomas Kauffmann (links) mit Christoph Botzenhart (rechts)

Jahrzehntelang lebte Deutschland in Frieden und fuhr entsprechend seine Verteidigungsausgaben zurück – man spricht bei den für andere Zwecke frei werdenden Ressourcen auch von einer „Friedensdividende“. Ohnehin basiert die Verteidigung Deutschlands auf der arbeitsteiligen Zusammenarbeit im NATO-Bündnis und in der EU. Die Idee dahinter ist eine „Abschreckung“ möglicher Aggressoren wie Putin, so dass ein Krieg gar nicht erst ausbricht. Parallel betrieb man eine Politik des „Wandels durch Handel“, die auf der Annahme basiert, dass Regime wie Russland die wirtschaftlichen Vorteile einer Zusammenarbeit sehen und sich langfristig auch politisch und militärisch mäßigen sowie gesellschaftlich modernisieren würden. Eigentlich schon seit der Annexion der Krim, aber spätestens seit dem offenen Angriffskrieg auch gegen die restliche Ukraine weiß man, dass diese Annahme zumindest im Falle Russlands falsch ist.

Auf Einladung von Bürgerimpulse stellte der ausgewiesene Verteidigungsexperte Dr. Thomas Kauffmann – ein früherer Berufssoldat, der im Bereich Strategieforschung promovierte und nun als Vice President der General Dynamics European Land Systems tätig ist – am 11.04.24 im gut besuchten Studio der Sparkasse Ulm dieses neue sicherheitspolitische Umfeld Deutschlands verständlich dar und ging auf mögliche Konsequenzen daraus ein.

Die globalen Machtblöcke und ihre Zusammenhänge und Wechselwirkungen sind an sich bereits länger etabliert. Die USA und China ringen um die Vorherrschaft, derzeit vor allem wirtschaftlich und politisch, aber auch durch Rüstung. Europa ist zwar politisch und gesellschaftlich eindeutig zum Westen zu zählen, kooperiert wirtschaftlich aber auch stark mit China. Letzteres wird in den USA mitunter als kontraproduktiv gesehen. Zudem werden schon länger Forderungen laut, dass Europa sein Engagement in der NATO auch finanziell wieder hochfährt, während andere wie Donald Trump sogar die NATO selbst infrage stellen – zumindest rhetorisch. China scheint den Angriff auf die Ukraine unterdessen interessiert als Fallstudie für einen möglichen Einmarsch in Taiwan zu betrachten. Unter anderem über den Iran, der Waffen sowohl für Russlands Krieg in der Ukraine als auch für den Kampf von Hamas und Hisbollah gegen Israel liefert, gibt es Querverbindungen zwischen der Lage im Nahen Osten und der in der Ukraine. Der Nahe Osten ist eine Putin nicht ungelegen kommende mögliche zweite „Front“ für den Westen, der sich dem Schutz Israels verpflichtet hat.

Für die zahlreichen Staaten Europas ist es eine Herausforderung, ihre Reaktion auf diese geopolitische Lage miteinander zu koordinieren. EU und NATO bieten jedoch entsprechende Instrumente, die in den letzten Jahren gestärkt und optimiert wurden, nicht nur durch die NATO-Erweiterung auf Finnland und Schweden, sondern auch durch schnellere Entscheidungswege. Wissenschaftlich gesehen sind verteilte, dezentrale Strukturen zudem nicht zwangsläufig eine Schwäche, sondern sie bedeuten auch höhere Widerstandsfähigkeit, weil sie nicht durch Angriffe auf einzelne Elemente zerstört werden können. Allerdings wünscht sich Europa ein vorhersagbares und verlässliches Auftreten des wirtschaftlich starken Deutschland in dieser Gemengelage. Hier spielt eine stabile Zusammenarbeit mit Polen und Frankreich eine wichtige Rolle.

Wenn man nun die „Flughöhe“ der Betrachtung reduziert und auf konkrete Maßnahmen zu sprechen kommt, so wird unter anderem deutlich, dass für eine weiterhin wirksame Abschreckung die europäische Infrastruktur modernisiert werden muss. Das größte Hindernis, um im Ernstfall auch schweres Militärgerät an die NATO-Ostgrenzen zu verlegen, sind Gewässer sowie zum Teil Gebirge und somit unsere oft maroden Brücken als Bestandteil des europäischen Straßen- und Schienennetzes. Eine Wortmeldung aus dem Publikum sah es als Versäumnis der Politik, die „Friedensdividende“ der letzten Jahrzehnte nicht wenigstens in diese auch für den Zivilverkehr einschließlich der Wirtschaft relevante Infrastruktur investiert zu haben.

Man kann zudem nur das wirklich, was man zuvor geübt hat, so Dr. Kauffmann. Daher sind NATO-Manöver ein wichtiger Bestandteil der Abschreckung. Die von ihm beruflich – aber nicht bei diesem Vortrag – vertretene europäische und amerikanische Rüstungsindustrie sei auf einem guten Weg, bei entsprechenden Anfragen der Regierungen künftig auch zu liefern – und zwar leistungsfähigere als die entsprechenden russischen Waffen. Darüber hinaus ist die personelle Ausstattung der europäischen Armeen eine große Herausforderung. Eine Dienstpflicht auch für Frauen – dies beinhaltet auch soziales Engagement als Wehrersatzdienst – ist zwar keine populäre Forderung, gehört aber zur gesamtgesellschaftlichen Diskussion, der wir uns zum Erhalt unserer Freiheit und unseres Wohlstands in Europa stellen müssen. Hier benötigt die Politik Rückendeckung aus der Bevölkerung und so liegt es an jedem Einzelnen, in seinem Umfeld ein entsprechendes Bewusstsein für die veränderte Sicherheitslage zu schaffen.

20.02.2024

Organspende – eine Verpflichtung für jeden?

Prof. Günter Kirste und Christoph Botzenhart

Am 20.02.2024 fand in den Räumlichkeiten der Volksbank Ulm-Biberach ein hochkarätiger Vortrag zum Thema "Organspende - eine Verpflichtung für jeden?" statt. Die Veranstaltung, organisiert von Bürgerimpulse e.V., zog eine große Anzahl von Interessierten an. Referent des Abends war Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Kirste, der viele Jahre als Transplantationschirurg in Freiburg gearbeitet und dabei auch Pionierarbeit geleistet hat. Von 2007 bis 2013 war er medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), einer 1984 gegründeten, öffentlich rechtlichen Organisation, die gemäß dem Transplantationsgesetz (TPG) als zentrale Koordinierungsstelle für die postmortale Organspende in Deutschland fungiert und annähernd 1.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Nach derzeit geltender Rechtslage gilt in Deutschland die sogenannte Entscheidungslösung. Das bedeutet: Eine Organspende ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn die potenzielle Spenderin oder der Spender zu Lebzeiten eingewilligt hat oder die nächsten Angehörigen zugestimmt haben.

Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland steht einer Organ- und Gewebespende positiv gegenüber und immer mehr besitzen einen Organspendeausweis. Personen, die sich für eine Spende entschieden haben, möchten mehrheitlich anderen helfen und ihrem Tod einen Sinn geben. Menschen, die sich dagegen entschieden haben, nehmen häufig an, ungeeignet zu sein.

2022 gab es bundesweit 869 Organspenderinnen und Organspender. Das entspricht 10,3 Organspenderinnen und - spender je eine Million Einwohner. In Europa führt Spanien regelmäßig die Statistiken zur Organspende an. 2021 kamen dort auf eine Million Einwohner 46,0 Organspenderinnen und Organspender, die Organe nach dem Hirntod spendeten. Knapp 9.000 Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Die meisten von ihnen warten auf eine Spenderniere. Ca. 750 Personen auf der Warteliste sind 2022 verstorben.

Prof. Kirste erläuterte zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen der Organspende in Deutschland, wobei er auf die Bedeutung des Transplantationsgesetzes einging und die aktuellen Entwicklungen auf diesem Gebiet diskutierte. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Vergleich zu anderen Ländern ein vereinfachteres und praxisgerechteres Procedere wünschenswert wäre. Schon die Beantragung eines Organspendeausweises ist unnötig komplex und auch die Regelung, dass Lebendspenden nur im engsten verwandtschaftlichen Umfeld zulässig sind, sollte dringend überprüft werden. Grundsätzlich betonte er, dass die Organspende eine wichtige Möglichkeit ist, das Leben anderer Menschen zu retten oder zu verbessern, und dass jeder Einzelne die Möglichkeit hat, einen wertvollen Beitrag zu leisten.

Des Weiteren wurden in der Veranstaltung verschiedene ethische Fragen rund um das Thema Organspende diskutiert, wie beispielsweise die Bedeutung von Aufklärung und Sensibilisierung in der Gesellschaft, die Rolle der Medien bei der Berichterstattung über Organspenden sowie die Herausforderungen und Chancen der Organspende in der Zukunft.

Im Anschluss an den Vortrag hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich an der Diskussion zu beteiligen. Es entwickelte sich ein außergewöhnlich lebhafter Austausch, in dem unterschiedliche Standpunkte und Meinungen zur Organspende beleuchtet wurden.

Insgesamt war die Veranstaltung ein gelungener Beitrag zur öffentlichen Debatte über die Organspende in Deutschland. Er sensibilisierte die Teilnehmer für die Bedeutung dieses Themas und regte dazu an, sich mit der eigenen Haltung zur Organspende auseinanderzusetzen.