13.11.2019
Gegen das städtische Verkehrschaos
Mobilität ist derzeit in aller Munde. Einerseits Grundlage unserer Lebensorganisation und eines Großteils unseres wirtschaftlichen Erfolges, sind die ökologischen Auswirkungen zunehmend Anlass für Widerstand in der Bevölkerung – auch in Ulm. Aus diesem Grund veranstaltete Bürgerimpulse am 13.11.2019 in der SWU-Aula einen Vortrag mit dem für das Thema zuständigen Herrn Bürgermeister Tim von Winning vom Fachbereich Stadtentwicklung, Bau und Umwelt der Stadt Ulm unter dem Titel „Mobilität – Freiheit oder Belastung – wohin geht die Fahrt?“ mit anschließender ausführlicher Diskussionsrunde (Moderation: Christoph Botzenhart).
Vor etwa 120 Zuhörern erklärte von Winning aus Sicht einer Kommune, mit welchen Ansätzen wir unsere Bedürfnisse mit geringerem Aufwand bzw. größerer Effizienz befriedigen können. Es braucht eine Innenstadt der kurzen Wege: der alte Ansatz mit Einkaufszentren vor allem am Stadtrand und einer klaren Trennung zwischen Wohn- und Geschäftsgebieten verlängert die Wege und fördert verstopfte Straßen. Auch die klassischen Einfamilienhäuser, in denen im Durchschnitt immer weniger Menschen pro Haus wohnen, verbrauchen Fläche und verlängern die Distanz zum Nachbarn, zum Arzt oder zum nächsten Einkaufsladen. Nachverdichtung durch Mehrfamilienhäuser mit Mischnutzung ist das Stichwort. Dadurch sind mehr Ziele für mehr Personen umweltfreundlich zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar.
Eine große Rolle spielt auch der öffentliche Nahverkehr. Hier hat Ulm mit der Straßenbahnlinie 2 schon einiges vorgearbeitet. Neue Wohnbauprojekte mit Mehrfamilienhäusern werden nun verstärkt an den ÖPNV-Linien angesiedelt, denn Busse und Straßenbahnen lassen sich nur wirtschaftlich betreiben, wenn sie gut genutzt sind. Dann jedoch ersetzen sie unzählige Autos und die Straßen werden wieder freier.
Zwar hat Ulm auch die Vororte verstärkt ans ÖPNV-Netz angebunden, aber diese Linien sind hoch subventioniert und letztlich gibt es Orte, an denen ein Verzicht aufs Auto unrealistisch ist. Diese Realitäten kann man nicht ignorieren – hier wird Klimaschutz vor allem durch umweltfreundlichere Motorentechnik erreicht. Öffentliche Parkplätze werden auch weiterhin benötigt.
Für die Qualität der Wege an sich muss ebenfalls einiges getan werden. Der für Straßen, Geh- und Radwege zur Verfügung stehende Platz zwischen den Gebäuden ist durch historische bauliche Entwicklungen vorgegeben und kann nicht einfach vergrößert werden. Zu viel davon wird derzeit fürs Parken aufgewendet. Schuld daran ist auch die fehlende Kostenwahrheit: Parken entlang der Wohngebietsstraßen ist für den Parkenden meist gratis – dabei bezahlt diese Flächen die Stadt und sie wären zudem enorm wertvoll für Radwege, sichere Bürgersteige und insgesamt mehr Lebensqualität. Wohnungsbaugesellschaften und andere Vermieter bleiben gleichzeitig auf ihren Tiefgaragenstellplätzen sitzen, deren Preise unter diesen Umständen für viele Autobesitzer unattraktiv sind.
Diese und viele weitere Maßnahmen für den Stadtverkehr der Zukunft – die in diesem Bericht nur exemplarisch wiedergegeben werden konnten – erfordern Augenmaß und einen sehr langen Atem. Denn zum Beispiel entstehen Tiefgaragen erst, wenn neu gebaut wird. Diese Veränderung kann nur mit den Bürgern gelingen, nicht gegen sie.